Nachdem wir die Kathedrale gesehen haben, gehen wir weiter der Gloucester Street entlang, unsere Stimmung inzwischen ziemlich gedrückt. Ganze Blocks von Wohnhäusern und Geschäftsgebäuden sind entweder abgerissen oder werden es gerade. Rechts steht ein neues Wohnhaus Victoria Apartments, links davon ein Bürogebäude. Beide stehen auf der Armagh Street, wie zwei einsame Zähne, die aus der Wüste ragen. Auch die beiden wurden 2013 und 2014 abgerissen.

Linkerhand an derselben Gloucester Street: das Einkaufszentrum Chancery Arcade. Auch dieses Gebäude stand lange leer und wurde 2015 abgerissen.

Hier befand sich der Stripclub The Dolls House. Auch dieser ist inzwischen natürlich abgerissen. Andererseits war das Gebäude so häßlich, es hätte auch so längst abgerissen gehört. Um die historischen Gebäude ist es allerdings schade.

Wem vor dem Erdbeben der Stripclub nicht zusagte, konnte über die Straße laufen, um in der Bibliothek etwas Kultur aufzuschnappen. Muss man erwähnen, dass die Bibliothek ebenfalls abgerissen wurde?

Macht aber nichts: die neue Zentralbibliothek soll im Jahre 2018 ganz in der Nähe eröffnet werden! Und schöner soll sie obendrein werden.

Wir treten an den Fluß Avon, genannt zu Ehren eines gleichnamigen Flusses in Schottland. Dort gehen wir etwas spazieren.

Der Fluss ist sehr ruhig und malerisch. Auf dem Fluss kann man mit einem britischen Stocherkahn, dem sogenannten Punt, fahren – wie im guten alten England.

Auch hier sind überall Spuren des Erdbebens zu sehen. Hinter dem Zaun sind die Canterbury Provincial Council Buildings. Das graue Haus in der Mitte wurde 1865 vom bereits erwähnten Benjamin Mountfort erbaut. Es hat das Beben recht unversehrt überstanden.

Und so sah es vor 2011 aus.

Das ganze Komplex soll wieder aufgebaut werden.

Our City O-Tautahi, das Munizipalgebäude auf der Ecke Worcester Street und Oxford Terrace. Erbaut 1886 im Queen-Anne-Stil.

Noch steht es. Man diskutiert darüber, ob es restauriert werden soll. Das Foto unten zeigt es vor dem Beben.

Auf einer Brachfläche treffen wir auf eine Wohltätigkeitsveranstaltung, den Variety Trillian Bash. Erst jetzt habe ich im Internet über sie gelesen und stellte fest, dass sie 2013 von Tongariro bis nach Christchurch gereist ist.

Auch in Tongariro hatten wir sie gesehen, als sie gerade am Aufbrechen waren. Nun trafen wir sie auf der Südinsel wieder.

Wir kommen an die Bridge of Remembrance, die Brücke der Erinnerung. Erbaut wurde sie 1924 als Andenken an die Opfer des Ersten Weltkriegs; inzwischen ist dies eine Andachtsstelle für sämtliche Kriegsopfer. Im Februar 2011 wurde die Brücke stark beschädigt und wurde erst 2016 wieder eröffnet.

Zu diesem Zeitpunkt waren wir bereits voller Schwermut über alles Gesehene – besonders mein Mann. Die Stimmung, weiter zum Botanischen Garten zu gehen, war uns vergangen. Daher beschlossen wir, zum Auto zurückzukehren und somit einen Kreis um die Innenstadt zu machen. Und da sahen wir die Blumen zum Andenken an die Opfer an der Ecke Colombo und Lichfield Street (auf der Colombo Street gab es besonders viele Opfer).

Das Haus 92 auf der Lichfield Street. Rechts ist ein kleiner Mini Cooper, der auf der Hauswand im ehemaligen Ausgehviertel Sol Square hängt. Das Auto hat das Erdbeben übrigens unbeschadet überstanden:

Die Fassade des Hauses Nummer 92, das 1893 erbaut wurde und der Handelsfirma Sargood, Son & Ewen gehörte, sah einst imposant aus:

Das Foto des ehemaligen In-Viertels auf del Sol Square vor dem Beben: Restaurants und Bars in ehemaligen Lagerhallen soweit das Auge reicht. Die Lagerhallen haben das Beben überstanden, standen jedoch viele Jahre eingezäunt. Vor kurzem gab es dort einen starken Brand.

Auf der Tuam Street wurde unsere Aufmerksamkeit von zwei Häusern erweckt: Nummer 210 (rechts) und 214 (mit den Containern an der Fassade).

Das Haus rechts wurde 1912 für die Firma Lawrie & Wilson Auctioneers erbaut. Später war dort der Nachtclub „Pink Pussycat“; später befand sich dort die städtische Behörde für Verkehr und Parken.

Das Haus links, dessen Fassade von Containern gestützt wird, ist das Odeon Theatre, das 1883 erbaut wurde und das älteste aus Stein gebaute Theater Neuseelands ist. Dieses Foto wurde vor dem Erdbeben gemacht.

Unten ist ein Bild, wie das Odeon kurz nach Fertigstellung aussah. Ganz im Gegenteil zu seinem Nachbarn rechts, dem Pink Pussycat, ist das Odeon in die Geschichte der Frauenrechte eingegangen. Als die Suffragistinnen im Jahre 1893 das Wahlrecht für Frauen erlangt hatten, musste dringend eine Wählerinnenregistrierung im ganzen Land vorgenommen werden: bis zu den nächsten Wahlen waren nur noch wenige Monate. Hier fand die Registrierung der Bewohnerinnen von Christchurch statt, geleitet von der berühmtesten Suffragistin Neuseelands, Kate Sheppard.

Das Gebäude ist später verwahrlost und sollte abgerissen werden. Dagegen setzte sich ganz entschieden der Schauspieler Mark Hadlow ein, der in Christchurch lebt (er spielte den Zwerg Dori im „Hobbit“). Er wollte in diesem Theater ein Kunstzentrum eröffnen. Das Odeon wechselte ständig die Besitzer, bis das Erdbeben im Februar 2011 ihm den Rest gegeben hatte. Nun ist die Fassade konserviert, doch es ist noch unklar, was damit passieren soll: eigentlich steht das Gebäude unter Denkmalschutz. So sah das Theater gleich nach dem Erdbeben von 2011 aus.

Und so sahen wir die Stadtmitte im Frühling 2013. Das ist die Kreuzung der Manchester und Tuam Street. Weit weg in der Mitte sind die bunten Flecken des ehemaligen All Seasons Hotels auf der Cashel Street, wo jetzt das BreakFree Hotel sitzt. Links von den allgegenwärtigen Containern: das rosafarbene Majestic Theatre im Art Deco Stil (inzwischen abgerissen). In diesem Theater hatten die Beatles ihrerzeit zwei Konzerte gegeben. Übrigens waren die jungen Neuseeländer so darüber erbost, welche Wirkung die Liverpooler Band auf ihre Freundinnen hatte, dass sie den Beatles nachstellten, ihr Hotel mit Eiern beschmissen und die Musiker bei ihren Auftritten mit Murmeln bewarfen.

Etwas weiter, auf der Ecke der Tuam und der High Street, steht ein Trinkwasserbrunnen – der erste öffentliche in Christchurch. Er wurde 1864 angelegt.

Neben dem Brunnen konnte man früher diese drei sympathische Corgies finden. Nach dem Erdbeben wurde einer von ihnen geklaut, und die anderen wurden eingelagert. Später wurden sie zurückgebracht (allerdings haben wir sie noch nicht angetroffen). Der gestohlene Corgie wurde vom Künstler rekonstruiert.

Das verwaiste Haus 158 High Street, mit einem rührend anmutenden Schild: „Kauf mich, reiß mich nicht ab!“ Bislang steht es noch.

Früher saß dort eine Firma für Radio- und Elektrogeräte. Die stolzen Vorbesitzer mit ihrem eigenen Firmenwagen!

Das historische Haus auf der Ecke Tuam und High Street: das ehemalige Einkaufsgeschäft McKenzie and Willis.

Erbaut wurde es 1910-11. Jetzt ist nur noch die Fassade erhalten. Die roten Häuser rechts und links davon stehen dagegen nicht mehr.

Das Haus links, das ehemalige Möbelgeschäft Billens’ Building (High Street 167-177), wurde ebenfalls Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut. Es hat das Beben überstanden, brannte jedoch später ab.

Und so sah es zu seinen Bestzeiten aus.

Einfach nur ein verlassenes Bürogebäude. Ein eindeutiger Abrißkandidat. Von solchen haben wir viele gesehen.

Die Entscheidungen, was abgerissen werden soll, wurden von der eigens gegründeten Kommission namens CERA (Canterbury Earthquake Recovery Authority) getroffen. Viele historisch bedeutende Gebäude wurden zerstört, was von manchen Bewohnern (sanft ausgedrückt) ohne Enthusiasmus aufgenommen wurde. Es gab auch mehrere Gerichtsverfahren, iniziiert durch empörte Bürger. Obwohl CERA im Frühling 2016 aufgelöst wurde, findet man immer noch viele aufgeregte Diskussionen im Netz dazu. Es gibt ein Projekt der Bebauung der Innenstadt, das jetzt realisiert wird. Die neuen Entwürfe kann man im Netz sehen.

Irgendwann kamen wir auf die Ecke Madras Street/Cashel Street zu einer improvisierten Klagemauer. Hier stand das Gebäude des Fernsehzentrums von Canterbury, in dem auch noch eine Sprachschule und ein Medizinzentrum saßen. Beim Erdbeben 2011 klappte es zusammen wie ein Kartenhaus. Es starben 115 Menschen (von 185 Opfern insgesamt), davon viele Studenten der Sprachschule.

Auf dem Weg zum Auto sehen wir das „Octagon“, die ehemalige Trinity Church, die für die hiesige Kongregationalistengemeinde im Jahre 1874 erbaut wurde – von eben demselben Benjamin Mountfort.

Vor dem Beben konnte das „Octagon“ sich mit einem großen Turm rühmen. Nachdem es stark beschädigt wurde, sollte das Haus erst abgerissen werden; inzwischen hat man beschlossen, es wiederherzustellen.

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© en.wikipedia.org/wiki/The_Octagon,_ChristchurchWir kamen zu unserem Auto und verabschiedeten uns von Christchurch. Hier das letzte Bild, das aus dem Autofenster geschossen wurde: eine britische Spitfire, ein Andenken an die Piloten, die im 2. Weltkrieg umgekommen sind. Unser nächstes Ziel war das Städtchen Methven, von wo wir am nächsten Morgen für eine Tour über die Herr der Ringe-Locations abgeholt werden sollten.

Interessante Links:

  1. Die Seite des Mayfair Theatre:  http://www.mayfairkaikoura.co.nz/